Biografie von Rudolf Szyszkowitz

           

Fassung vom 15. November 2013

Autor: E. Just

 

Der Text dieser Biografie ist hier auch im PDF-Format verfügbar.

Weiterführende Informationen über Rudolf Szyskowitz im Unterordner 'Gesicherte Textbeiträge'.
 

Inhalt

Übersicht 1

Persönlicher Bezug . 1

Geistig-künstlerisches Credo . 2

Der väterliche Lehrmeister 3

 

Übersicht

Rudolf Szyszkowitz, am 27.04.1905 in St. Martin geboren, am 06.01.1976 in Graz gestorben, war ein österreichischer Maler, Grafiker, leidenschaftlicher Lehrer und Autor. Neben Alfred Wickenburg und Wilhelm Thöny war er der wichtigste Repräsentant der steirischen Moderne (Zitat Wilfried Skreiner) und gehört zu den bedeutendsten österreichischen Malern des 20. Jahrhunderts.

Nach der Übersiedlung der Familie nach Graz, 1915, trat er bereits 1921 der Jugendbewegung ‚Neuland’ bei und begann sein Studium an der Grazer Kunstgewerbeschule bei Prof. Wilhelm Gösser in der Klasse für Holz- und Steinbildhauerei. Nach weiterem Studium 1925-1929 an der Akademie der bildenden Künste in Wien, ersten Ausstellungen und mehreren Preisauszeichnungen, wurde er 1935 an die Grazer Kunstgewerbeschule berufen, um dort eine Meisterklasse für Malerei aufzubauen.
Von 1943 bis 1945 leistet er Kriegsdienst, danach nimmt er die Lehrtätigkeit in Graz wieder auf. Auf Wunsch von O. Kokoschka wird Prof. Szyszkowitz 1964 an die Salzburger Sommerakademie berufen und unterrichtet dort bis 1972 die Klasse für ‚Figurative Malerei’. Am 06. Januar 1976 stirbt er in Graz.


Persönlicher Bezug

Diese Biografie entsteht als Zuarbeit für das Archiv Werkvermächtnisse auf der Internetseite www.archiv-swv.de.
Sie versucht, sowohl in das Leben und Werk des großen Künstlers Rudolf Szyszkowitz kurz einzuführen als auch die Werkschau Violanthe Christiane Rappls – eine seiner bedeutendsten Schülerinnen – zu vervollständigen.

Die Internetseite www.archiv-swv.de darf insofern zu den Lebensvermächtnissen Frau Rappls hinzugezählt werden, als es ihre Nachlassregelung war, die den Anstoß gab, dieses Portal einzurichten. Unser Archiv bietet eine Struktur zur Erhaltung und Präsentation künstlerisch-geistiger Schöpfungen und steht jedem Interessenten offen, dessen Arbeit von authentisch-künstlerischem oder wissenschaftlichem Bemühen durchdrungen ist. So sind dort neben der Werkschau Frau Rappls, ihren Schriften, privaten Fotos und dem biografischen Versuch, ihr Leben nachzuzeichnen auch zwei besonders schöne Texte von R. Szyszkowitz verfügbar.

Da Professor Szyszkowitz wesentlichen Einfluss auf das Leben Frau Rappls hatte und seine Persönlichkeit und sein Schaffen für ihre künstlerische Entwicklung – wie für viele seiner Schüler! – von essenzieller Bedeutung war, ist es mindestens erforderlich, die Werkschau Frau Rappls mit diesem biografischen Überblick zu R. Szyszkowitz zu vervollständigen. Nicht weniger jedoch ist es mir ausdrückliches Anliegen, das herausragende Werk und die pädagogisch-ideellen Leistungen Professor Szyszkowitz' im Allgemeinen und seine weltanschaulichen Beiträge zur Ausbildung unseres menschlich-künstlerischen Tiefenbewusstseins im Besonderen zu würdigen und hier – zumindest teilweise – auch zu sichern.

Im Wesentlichen fasse ich im Folgenden meine persönliche Recherche über R. Szyszkowitz, so wie sie ausführlich in die Biografie Violanthe Rappls eingeflossen ist, kurz zusammen. Im Netz selbst sind sein Wikipedia-Eintrag und das eigene Internetporträt als wesentliche Quellen zu nennen.

Im Buchhandel sind Retrospektiven und Schriften von oder über Rudolf Szyszkowitz nur noch antiquarisch zu erhalten. Ich selber konnte bei meiner Forschung vor allem auf die große 218seitige Werkdokumentation von Wilfried Skreiner zurückgreifen, 1977 im Verlag Styria erschienen, sowie auf die 99seitige Gedenkschrift und Sondernummer des Mitteilungsblattes des Verlags ‚Bund Neuland’, erschienen im Advent 1976, die von Franz M. Kampfhammer, Hugo Macher und Michael Szyszkowitz zusammengestellt wurde.

Geistig-künstlerisches Credo

Rudolf Szyszkowitz schloss sich bereits mit Fünfzehn der österreichischen reformkatholischen Jugendbewegung und dem 1919 gegründeten ‚Bund Neuland’ an, der starken Einfluss auf die ‚Liturgische Bewegung’ in Österreich hatte. Die dort ausgebreiteten Ansprüche nationaler geistlicher und künstlerischer Erneuerung, seine Gegenbewegung zur Verweltlichung und Profanisierung des christlichen Glaubens, haben R. Szyszkowitz geprägt und die thematische Ausrichtung seines inneren und äußeren Werkes bestimmt. Mit liebender Überzeugung fühlte er sich der Weitergabe dieser hohen Ideale menschlicher Wahrhaftigkeit in Geist und Tat, in Wort und Bild bis zum Ende seines Lebens berufen. Er wurde als Schüler an der Wiener Akademie mehrfach ausgezeichnet und erhielt 1935, zusammen mit dem österreichischen Grafiker und Buchautor Alfred Kubin (1877-1959), den Staatspreis für Grafik. Aus einem expressiven Gestaltungswillen heraus versucht Szyszkowitz sowohl das Innere und Äußere des Menschen, als auch die Welt seiner Ideen und die ganze göttlich-beseelte Natur in seinem Schaffen zu vereinen. Beziehungslose Abstraktionen und formzerstörende Aggressionen waren ihm verpönt. Trotzdem galten ihm die Freiheit in der Gestaltung und der persönliche Ausdruck innerhalb dieser Freiheit als höchste Prinzipien der Darstellung – vorausgesetzt, Thema und Objekt sind als intentionales Motiv konkret erkennbar. Aus diesem Grund legte er methodisch höchsten Wert auf „die Erarbeitung einer tiefinneren zweiten Natur, wozu als Ausgangspunkt die allgemein fassbare Naturerscheinung unausweichlich notwendig ist. Selbst die von der Natur am weitesten entfernte Expression muss die vom Menschen in Jahrtausenden erfahrene Maßnorm als Grundgesetz künstlerischer Gestaltung anerkennen und immer wieder aufs Neue erkennen.“ (Zitiert aus: "Rudolf Szyszkowitz – Zum Gedenken", Neuland-Heft Advent 1976, Sondernummer, S. 23)

Wie jeden Meister seines Fachs, so zierten auch Rudolf Szyszkowitz besondere Begabungen in anderen Bereichen: Sein aufrichtiger unmittelbarer Zugang zum Menschen machte ihn zu einem leidenschaftlichen Lehrer; vielen Studenten war und blieb er sein Leben lang ein väterlicher Freund. Er beherrschte die begeisternde originelle und humorvolle Rede wie kaum ein Zweiter – Hans Asperger (wahrscheinlich der bekannte österreichische Kinderarzt und Heilpädagoge) charakterisierte ihn in dem genannten Gedenkheftchen mit dem Dichterwort: „Wir haben seinesgleichen nie gesehen!“ Seine Kasperlpuppen-Inszenierungen, in denen niemand so überzeugend war wie er selbst, müssen legendär gewesen sein. Und eben weil für ihn das Wort genauso künstlerisches Material war wie Pinsel und Farben, besaß er zudem eine großartige schriftstellerische Gabe. – Ich selbst komme von der Bühne her und war hingerissen über seinen Aufsatz aus dem Jahre 1935 „Über das Wesen des darstellenden Kunstwerks“: Für mich gehört es zum Schönsten und Wahrsten, was ich über den Bühnenberuf je gelesen habe! Dieser Aufsatz findet sich ebenfalls auf der Internetseite archiv-swv.de, unter den Schriften Rudolf Szyszkowitz'.

Für den religiös verwurzelten Künstler R. Szyszkowitz hatte jede Kunstausübung der Gewinnung von Selbsterkenntnis zu dienen – und damit der Vermittlung wahrer Erkenntnisse über die Welt, ihrer äußeren und inneren Realität, ihrer materiellen und transzendentalen Einheit:

„Ich halte eine künstlerische Arbeit dann für gut und meinen Vorstellungen entsprechend, wenn sie durch die innersten und äußeren Begegnungen mit dem, was rund um und im Künstler vor sich geht, entsteht, und durch die entsprechenden Mittel seines Ausdrucks einen Niederschlag erfährt; Gut-Ab-Normes im Ausdruck soll über der sicheren Beherrschung der Normen liegen; die sichere Beherrschung der Form soll wie ein gesetzlicher Halt sein – immer bereit. Das junge Talent gehört so ausgebildet, dass es zuallererst den Raum und die Massen im Raum erkennt und sie mit den malerischen Bauwerten, aus dem Raum geholt, in den Raum zu bringen trachtet (Bildraum).

Der väterliche Lehrmeister

1964 wird Rudolf Szyszkowitz auf Empfehlung des damaligen Landeshauptmanns Hans Lechner und nach ausdrücklichem Wunsche Oskar Kokoschkas zu dessen Nachfolger an die Salzburger Sommerakademie berufen, an der er neun Jahre lang das Seminar für ‚Figurative Malerei’ leitet. Hier treffen Professor Szyszkowitz und die junge Künstlerin Violanthe Christiane Luise Rappl zusammen. Sie gehört zu seiner ersten Studienklasse, wie es ein Brief von Prof. Szyszkowitz an Fräulein Rappl vom 26.12.64 belegt. Die Förderpreise der Stadt Salzburg, die sie 1965 und 1966 für ausgezeichnete Leistungen im Seminar ‚Figurative Malerei’ erhält, sind von Prof. Szyszkowitz mitunterzeichnet. In ihm fand sie – weit über die Studienzeit hinaus – einen väterlichen Freund, der größten Anteil an ihrer geistigen und künstlerischen Emanzipation hatte.

Frau Rappls Werk umfasst etwa 450 visionäre und impressionistische Bilder, Konzeptakte, Studien, mehrere Schriften, einige kleinere Plastiken, Keramiken und Themenobjekte. Zentrales Motiv ihrer Arbeit war die Sehnsucht nach spirituellem Aufbruch und der dazu notwendigen Bewusstseinsveränderung im Menschen. In ihrer zu großen Teilen autobiografischen Schrift "Walze contra Himmelreich" lesen wir am Ende der Geschichte des Mädchens Christine:

„Ein Vater und Kunstprofessor übernahm für einige Zeit die Führung. Er war ein leidenschaftlicher Liebhaber guter Kunst. Seine Liebe ging weit über das hinaus, was er selber schaffen konnte. Das ergibt eine großzügige Sicht. Die Gabe, ein Bild bis in alle Einzelheiten im guten Sinne zu analysieren, konnte er auf geschickte Weise vermitteln. Es war wohl die Freude, alles bis ins Detail liebevoll zu entdecken. Er machte Christine bewusst, was sie konnte, weil er sah, dass sie es mit dem Verstand gar nicht wahrnahm und somit auch nicht bewusst einsetzte. Das war etwas sehr Wichtiges, weil ihr damit eine viel größere Durchsicht der Möglichkeiten offenstand. Es war, als stünde sie in einem Werkzeugladen, wo sie sich alles, was sie an Werkzeugen brauchte, nehmen konnte. Damit besaß sie die Grundlage, unterrichten zu können. Sie hatte einen Beruf gefunden, mit dem sie selbstständig ins Leben hineinwachsen konnte.“

Dieser ‚Vater und Kunstprofessor’ war Rudolf Szyszkowitz. Aus einer zehn Jahre währenden Korrespondenz sind 17 Briefe und Karten Prof. Szyszkowitz' an Frau Rappl erhalten. Sie zeugen von der persönlichen Verbundenheit des Lehrers mit seiner Schülerin und dem besonderen Interesse, das er ihrer Weiterentwicklung angedeihen ließ. Zugleich gewähren sie auch Einblicke in manchen Konflikt, den Professor Szyszkowitz zur Verteidigung seiner eigenen künstlerischen Ansprüche mit dem kommerziellen Salzburger Kulturbetrieb auszufechten hatte. Viele seiner methodisch-philosophischen Aussagen in diesen Briefen, mit denen er den Weg der jungen Künstlerin bestätigt und ihn vorausweist, sind im Kapitel ‚Der Briefwechsel’ in der Biografie Frau Rapps auf der genannten Internetseite wiedergegeben. Ihnen wohnt jene ganz seltene Überzeugungskraft inne, wie sie nur von Herzensmenschen verkündet und übertragen werden kann, die durch Hingabe und konsequente Ehrlichkeit der Sache gegenüber in Bereiche von allgemeingültiger beispielgebender Wahrheit vorgedrungen sind – so wie das für das herausragende Schaffen und den beeindruckenden Charakter R. Szyszkowitz' gegolten haben muss, wie uns alle Überlieferungen fühlen lassen, die von ihm erhalten sind.

Der Mangel an elterlicher Zuwendung, den Violanthe Rappl erlitten hatte, wird den intentionalen und initiatorischen Einfluss Rudolf Szyszkowitz', als ihrem wichtigsten Vorbild, auf ihr ganzes Leben entsprechend verstärkt haben. Es nimmt daher auch nicht wunder, wie sichtbar handwerklich ihr bildnerisches Schaffen von ihrem Lehrer inspiriert ist und wie sich beider Entwicklungswege auch inhaltlich ähneln: Im wahrsten Sinne des Wortes ‚krönendes Beispiel’ dieser Gestaltungskongruenz ist das von beiden Malern am Ende ihrer künstlerischen Produktivität wiederaufgegriffene biblische Thema von den klugen und törichten Jungfrauen: Zwei Jahre vor seinem Tod gestaltet Szyszkowitz für die Kapelle im Kloster zum Guten Hirten auf dem Baumgartenberg bei Perg in Oberösterreich die Betonglasfenster ‚Die klugen Jungfrauen’. 27 Jahre später vollendet auch Violanthe ihre eigene künstlerische Biografie mit dem Bild- und Textzyklus ‚Die klugen und die törichten Jungfrauen’.